heise meets … Viele Manager merken gar nicht, dass sie das nächste Nokia werden

Klassisches Management schwindet, experimentelle Entscheidungen sind gefragt. Nur so meistern Unternehmen die Zukunft, meint Business-Coach Anne Schüller.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Michael Praschma

Wenn es darum geht, wie Unternehmen zukunftsfit werden können, dann ist laut Business Coach Anne M. Schüller das Wort "Zukunftsmanagement“ eigentlich verfehlt. Denn: Das Management wird verschwinden, jedenfalls in dem Neuland, auf das unternehmerisches Handeln sich zubewegt. Doch der Reihe nach.

Planungszyklen, die früher bei zehn Jahren lagen, sind heute überholt. Im "heise meets"-Podcast spricht Schüller von "Hochgeschwindigkeits-Wildwasserzeiten". Als Orientierungsmarken für das, was einst Zukunftsmanagement war, funktionieren inzwischen nur noch die sogenannten Megatrends: Kundenzentrierung, Technologisierung, Individualisierung, Optimierung und Kollaboration. Über den Rest, die Minitrends, lassen sich keine belastbaren Prognosen mehr erstellen.

Die Konsequenz: Unternehmen müssen sich dessen bewusst werden, dass ein großer Teil ihrer Entscheidungen scheitern wird. Startups haben es in ihren Genen, damit umzugehen. Klassische Unternehmen, auch die meisten KMUs brauchen jedoch ein neues Mindset. Und weil eine Kultur des Scheiterns in Deutschland noch nicht etabliert ist, soll sich der erfolgversprechende Trend mit dem englischen Slogan „Fail fast, try again, fail better“ einschleichen.

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Klar, eine New Economy wie Softwareentwicklung kann es leichter verkraften, wenn 80 Prozent ihrer Ideen sich eben nicht verkaufen, sondern bloß einen Lerneffekt – immerhin! – verbuchen. Produkte der klassischen Welt hingegen scheitern erst "im Regal", wenn also Geld für Maschinen, Infrastruktur, Marketing usw. bereits geflossen ist. Für die meisten Oldschool-Unternehmen wäre es also viel verlangt, jedes Scheitern zu feiern. Hier sind andere Strategien im Umgang mit der unvorhersehbaren Wildwasser-Economy gefragt.

Besonders kleinere Unternehmen sind mit immer kürzeren Produktzyklen und wechselnden Trends schnell überfordert. Kollaboration und Vernetzung mit anderen Unternehmen bietet hier Chancen – dann jedenfalls, wenn sie kundenorientiert gedacht wird. Ein Ökosystem für Kunden zu schaffen bedeutet, über die Optimierung des eigenen Produkts hinauszusehen und ein Angebot zu kreieren, das ein ganzes Feld von Kundenerwartungen mit einem neuen Erlebnis besetzt.

Unter anderem am Beispiel der Tierprodukte-Kette "Fressnapf" macht Schüller deutlich: Die Optimierung eines Hundefutters etwa wird von der Konkurrenz schnell übernommen, und was dann allein kaufentscheidend bleibt, ist der Preis. Wenn ich aber alles rund um die Wünsche von Hundehaltern anbiete, einschließlich Service wie Information über Dinge wie Hundeschulen, dann profitiert jedes meiner Produkte von den übrigen. Das ist ein Business-Ökosystem, das sich um den Kunden dreht.

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Das Mindset im ganzen Unternehmen muss sich jedoch auf eine solche Orientierung umstellen und dabei alte Erfolgsmodelle – z. B. auch Gründungsmythen – über Bord werfen, inhaltlich wie organisatorisch. Deswegen hält Schüller den Manager für Regeln, Prozesse, Organigramme und was noch alles das Unternehmen bisher auf Kurs gehalten hat, für ein Auslaufmodell.

Menschenkenntnis ist gefragt, wenn es darum geht, die richtigen Mitarbeitertypen zu finden. Jene, die das Mindset besitzen, Produkte in der einen oder anderen Weise neu zu denken, so experimentell wie möglich, und dann den Rest der Beschäftigten nach einiger Zeit damit überzeugen. Was dabei im Weg ist, sind viele Manager, die über Nokia lachen und gar nicht merken, dass sie auf dem Weg sind, das nächste Nokia zu werden. Tatsächlich hat Schüller festgestellt, dass es mitunter eine erhebliche Diskrepanz gibt: Verbale Aufgeschlossenheit bei anhaltender Verhaltensstarre.

Es heißt also: Permanentes Ent-Lernen und neu Lernen; mehr Generalisten ins Unternehmen, die das Beste aus Oldschool und Startup verbinden können; den Elefanten im Raum ansprechen, der Neues blockiert; schließlich, besonders in KMUs, jungen Menschen, überhaupt frischen Ideen Raum geben.

(sege)